Ein Platz in Bewegung
Leidenschaft erzeugt Veränderung. Es ist eine Energie, die ekstatische Freude, Bewegung und Wachstum, aber ebenso Krisen, Krieg und Zerstörung bringen kann. Mitunter führt das eine auch direkt zum anderen. Die jüngsten Beispiele hierfür sind leidvoll präsent: Die weltweite Mobilität befeuerte die Ausbreitung der Corona-Pandemie, die Begeisterung für die imperiale Geschichte Russlands verleitete seine politische Führung, die benachbarte Ukraine mit Krieg zu überziehen, das Wachstum der Weltbevölkerung und Wirtschaftsleistung beschert uns einen katastrophalen Klimawandel.
Von dieser Ambivalenz der Leidenschaft sind auch die drei Herbstgold-Kunstprojekte 2022 auf dem Vorplatz von Schloss Esterházy durchdrungen. Sie reagieren auf die aktuelle Polykrise gleichsam polyphonisch: Sie greifen ineinander und werden nicht so schnell wieder vorbei sein.
Das erste Projekt ist eine auf drei bis vier Jahre angelegte gärtnerische Umgestaltung des Vorplatzes nach Vorgaben des Klimawandels. Statt saisonaler Blumenkreise im dauergrünen Parterre-Rasen schwingen nun amorphe Staudenbeete über den an sich trockenen Standort.
Die Umgestaltung ist das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs, zu dem Esterhazy Immobilien Schülerinnen und Schüler der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau und Österreichische Bundesgärten eingeladen hatte. Geleitet wurde das Projekt von DI Marco Klebel (HBLFA). Er beschreibt das Siegerprojekt von Flora Schmudermayer, Raphaela Tröbinger und Michael Meindl wie folgt: „Die Pflanzen wurden passend für den trockenen, sonnigen Standort ausgewählt und sollen durch den Blühaspekt mit kühlen Farben wie weiß und blau auch psychologisch einen gewissen Kühleffekt bewirken. Sitzbänke aus Holz sollen zum Betreten der Fläche ermutigen und das Sitzen zwischen den Pflanzen ermöglichen.“
Der Künstler des zweiten Projekts, Alfredo Barsuglia (*1980 in Graz), hat für die neue Platzgestaltung sowohl die konkreten Bänke und Liegen entworfen, als auch fünf „Sternenluster“ beigesteuert. Jede dieser Lichtskulpturen trägt an der Spitze eines Masten einen Sternenhaufen aus Glühbirnen, die bei Tag als bunte Punkte ersichtlich sind und in der Nacht leuchten. In ihrer modernistischen Machart knüpfen sie an die vom „Sputnikschock“ (1957) inspirierten Lampen der 50er und 60er Jahre und den berühmten Lobmeyr-Luster der New Yorker Metropolitan Oper (Rath, 1963) an. Die unterschiedlichen Formen der Sternenhaufen öffnen Assoziationen von astronomischen Ereignissen bis hin zu direkten politischen Metaphern: Ein Komet rast dahin, ein roter Riese bläht sich auf, eine Balkengalaxie wirbelt mit ihren Armen, rote Sterne dringen in ein blau-gelbes System, ein schwarzes Loch saugt alles an.
Diesem äußeren Tumult zum Trotz ist ein Sternenluster zusätzlich mit einem kleinen Klangspiel bestückt, das bei Wind das Sternenfeld leise zum Klingen bringen wird. Der Künstler referenziert damit sowohl auf die antike Vorstellung einer „Himmelsharmonie“ (siehe auch das Musikwerk „Harmonia Caelestis“ von Fürst Paul I aus dem Jahr 1701) als auch auf die autopoetische „Windorgel“, die sich nach neuen Forschungsergebnissen von Margit Kopp einst in einem Turm von Schloss Esterházy befand. Der Wind bindet die katastrophischen Geschehnisse des Außen damit zurück in den intimen Zyklus des Gartens.